1. Beschreibung und eingeladene Gäste
Die Aussprache des Spanischen zeichnet sich weltweit durch große Diversität aus, die noch längst nicht umfassend erforscht ist. In vielen Gebieten des spanischen Sprachraums kann diese lautliche Variation zumindest teilweise auf Sprachkontakt zurückgeführt werden, denn das Spanische war bzw. ist dort für zahlreiche Sprecher die Zweitsprache (L2). Dies gilt etwa für die Quechuasprecher des Andenraums, für die galicischsprachige Bevölkerung in Galicien, für italienische und chinesische Einwanderer in Argentinien oder für marokkanische Immigranten in Spanien. Umgekehrt ergeben sich nicht minder starke Auswirkungen auf die Aussprache, wenn spanischsprachige Emigranten sich an ihre neue Umgebungssprache anpassen und nach und nach zu sog. Herkunftssprechern (heritage speakers) werden (z.B. mexikanische oder puertoricanische Immigranten in den USA oder spanische Einwanderer in Deutschland). Weiterhin wird Spanisch weltweit von Millionen Lernern als Fremdsprache erworben. In solchen Szenarien kommt es zu lautlichem Transfer aus der jeweiligen L1 in die Zielsprache Spanisch. In unserer Sektion konzentrieren wir uns aus phonetisch-phonologischer Perspektive auf die lautlichen Aspekte der genannten Kontakt- und Erwerbskonstellationen und nehmen dabei die Lautgestalt des Spanischen sowohl in segmentaler als auch in prosodischer Hinsicht in den Blick.
Lautliche Variation stellt eine Herausforderung für die phonologische Theoriebildung dar – unabhängig davon, ob sie aus Sprachkontakt resultiert oder nicht. Die digitale Erfassung empirischer Daten ermöglicht zwar eine immer umfangreichere Dokumentation lautlicher Variabilität, und zugleich dauert die theoretische Diskussion an: Wie können die lautlichen Charakteristika unterschiedlicher Varietäten, die interlanguages der Spanischlerner inbegriffen, in einem phonologischen Rahmen modelliert werden? Wie lassen sich (abstrakte oder exemplaristische) Repräsentationen und (regel- oder constraintbasierte) Prozesse theoretisch erfassen? Kann man sich auf innersprachliche Aspekte beschränken oder müssen externe Faktoren mit einbezogen werden?
Die Sektion hat zum Ziel, unterschiedliche Herangehensweisen an die lautliche Variabilität des Spanischen miteinander in Dialog zu bringen – zum einem, um den aktuellen Forschungsstand zu ermitteln und erfolgversprechende Untersuchungsmethoden weiterzuentwickeln; zum anderen, um theoretische Herausforderungen und Vorschläge zu diskutieren. Dazu sollen im Rahmen von Phonetik und Phonologie auch kontaktlinguistische, dialektologische und soziolinguistische Aspekte sowie Fragestellungen der L2-Forschung mit einbezogen werden.
Vorträge zu den folgenden Themenkomplexen sind willkommen:
- Aussprache des Spanischen im Kontakt mit anderen Sprachen
- dialektale und soziolinguistische Variation des Spanischen in Amerika und Europa
- lautliche Aspekte spanisch-basierter Kreolsprachen
- lautliche Aspekte des Spanischen als Zweit- und Fremdsprache
- Aussprache des Spanischen als Herkunftssprache
- Erwerb der spanischen Phonologie durch mehrsprachige Lerner
- Korpora und experimentelle Daten in der Forschung zur Phonologie des Spanischen
- Wechselbeziehungen zwischen phonetischer Forschung, phonologischer Modellierung und Praxis des Fremdsprachenunterrichts
- Methodologie des Ausspracheunterrichts im Fach Spanisch