21. Deutscher Hispanistentag 2017
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1. Beschreibung und eingeladene Gäste

Cristián Ricci (Gast)

Cristián Ricci ist einer der prominentesten Wissenschaftler in dem neuen Feld der hispano-maghrebinischen Literatur und Kultur und mit Sicherheit der produktivste, und zwar ausgehend von einem transkontinentalen bzw. transkulturellen sowie transdisziplinären Ansatz, verortet in der Komparatistik, in der postkolonialen Theoriebildung und in den Kulturen des Mittelmeers, was seinen ihren Ansatz außerordentlich innovativ und produktiv macht. In seiner Forschung stechen Themen wie Globalisierung, Diaspora, Sprachvielfalt, klandestine und subalterne Literaturen, Kolonialismus und Orientalismus hervor.

Ruth Fine (Gast)

Ruth Fine ist eine herausragende und international anerkannte Hispanistin aus der Hebrew University of Jerusalem, wo sie den Salomon and Victoria Chair in Contemporary Latin America innehat. Sie ist ferner Direktorin des Institute of Western Cultures, Faculty of Humanities, Vizepräsidentin des Internationalen Hispanisten- und Cervantes-Verbandes sowie Herausgeberin einer Reihe von wichtigen Zeitschriften und wissenschaftlichen Publikationsreihen. Ihre Schwerpunkte liegen auf der Erforschung von jüdisch-spanischen Beziehungen in Geschichte und Gegenwart sowie auf der sepharditischen Migration.

Im Kontext des 21. Deutschen Hispanistentags mit dem Rahmenthema Orte hispanischer Kultur in einer globalisierten Welt beabsichtigen wir, Konzepte und Strategien der Gastfreundschaft spanischer Kulturen angesichts der maghrebinischen Migration sowie in Verbindung mit Menschen aus Regionen der Subsahara, Lateinamerikas und anderen Orten der Welt zu analysieren. Unsere Intention ist es nachzuvollziehen, wie die traditionelle Idee von mediterraner Gastfreundschaft heutzutage Aktualisierungen erfährt und neben nationale und moderne europäische Institutionen wie das Aufenthaltsrecht und die Normalisierung der Immigranten tritt. Die moderne Idee von ‚Staatsbürgerschaft‘ bezieht sich auf die Assimilierung und Integration von Individuen anderer Herkunftsorte an Gewohnheiten und Werte der Aufnahmegesellschaft, in der ihnen nur ein marginaler Ort für kulturelle und individuelle Differenzen zugestanden wird, während die Tradition mediterraner Hospitalität jedoch auch die Anerkennung der Andersheit fordert, was sich beispielsweise an Konzepten der Maskulinität und Feminität zeigt, die traditionell wie auch im postmodernen Sinne divergieren. Dieses Anerkennen verändert notwendigerweise Modelle und Normen in der Aufnahmegesellschaft selbst, wie Derrida uns ins Gedächtnis ruft (1997). Infolgedessen ist Gastfreundschaft ein zentrales Konzept, wenn auch umstritten in Bezug auf die aktuellen Debatten um Migation und Asyl. Es herrscht kein Konsens über ihren ethisch-politischen Status: Ist sie ein Recht oder eine Pflicht? Handelt es sich um eine bedingungslose Grundhaltung oder eher um etwas, das von gewissen Faktoren und Konditionen abhängt? Es ist offensichtlich, dass nicht alle Immigranten oder Flüchtlinge Gastfreundschaft genießen und ihre ‚Andersheit‘ wird oft nicht anerkannt, sondern häufig ausgebeutet in einem globalisieren Arbeitsmarkt. Worin liegt dann die Verbindung zwischen Hospitalität und der Produktion von sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ungleichheit? Die Reflektion über Gastfreundschaft verlangt eine intersektionale Perspektive, um die Verflechtung verschiedener Macht-Relationen analysieren zu können (über Kategorien wie Klasse, Geschlecht, Ethnizität, Sexualität etc.), die Situationen spezifischer Ungleichheit und Prekarität erzeugen, aber auch im besten Falle neue Formen von Solidarität und Zugehörigkeit hervorbringen können. In diesem Zusammenhang erscheint es uns vielversprechend, die Diskussion über Hospitalität auf die ‚Queer‘-Theorie auszuweiten, die wir nicht nur im Sinne einer Untersuchung marginalisierter Sexualitäten und Geschlechter verstehen, sondern als kritisches Instrument, um Heteronormativität als Form einer sozialen Institutionen, kulturellen Diskursen und folglich auch der Hospitalität zugrundeliegenden Macht zu analysieren.

Diese Sektion setzt sich das Ziel, Migrationen im Mittelmeerraum und ihre Charakteristika und Strategien zu untersuchen und zu beschreiben, unter dem Fokus transkultureller und sozio-generischer Phänomene und ihren unterschiedlichen medialen Repräsentationsformen.

Im Rahmen dieses Hauptziels der Sektion wird es im Einzelnen um die Untersuchung dessen gehen, was wir die Konstruktion neuer Diasporas bzw. Identitäten oder performative Diaspora- und Identitätskonstellationen nennen. Im Gegensatz zu traditionellen Konstruktionen implizieren sie eine große Diversität soziokultureller Beziehungen, die sich durch hochgradig ambivalente Gefühle und Positionen charakterisieren. Daher werden die Konzepte Gastfreundschaft, Zugehörigkeit, Emotion, Körper, und Begehren zentrale zu untersuchende Säulen der Architektur performativer Diaspora- und Identitätskonstruktionen sein, da sie dynamische Prozesse von Wertungen, Handlungen und Verhandlungen darstellen.

Diese Vorgehensweise und Form der Annäherung soll zeigen, wie der Hispanismus, verstanden als die Summe der Äußerungen aus kultureller und wissenschaftlicher Produktion in verschiedenen Räumen der Welt, in der Lage ist, sich mit einer Reihe unterschiedlicher literarischer, sozialer, politischer und kultureller Phänomene auseinanderzusetzen und auf der Basis des ausgewählten Korpus eine Reihe von Alternativen des Denkens und des kulturellen Verhaltens zu beschreiben. Wir betonen dabei die Tatsache, dass man stets von einem bestimmten Ort aus spricht, unabhängig vom Grad der Diversität oder kulturellen Hybridisierung.

Den Hispanismus verstehen wir außerdem als die Summe der Disziplinen, Methoden und Theorien, die fähig sind, einen wichtigen Beitrag nicht nur zum literarisch-kulturellen Wissen dieses Sprachraums zu leisten, sondern auch zu unterschiedlichen soziokulturellen Phänomenen, z.B. den Migrationsbewegungen, die sich dann in kulturellen Objekten und Produktionen wie der Literatur widerspiegeln, und so im Kontext des gewählten Themas einen Beitrag zur Debatte und zur Erweiterung des Wissens zu leisten.

Einer der besonderen Beiträge in diesem Rahmen wird darin bestehen, Äußerungen gemäß eines neuen Konzeptes einer plurikulturellen Gesellschaft zu beschreiben und zu analysieren, welches den oft gebrauchten Begriff der ‘Integration’ als lineares Ideal kultureller Praktiken hinterfragt und durch das Konzept der dynamischen und mehrdimensionalen Interaktion im Sinne von geteilter Verantwortung, Kultur und Raum ersetzt. Diese Interaktion ist in der Mehrzahl der Texte durch einen Situationsimperativ bzw. ein Situationsdispositiv als Ergebnis der Aushandlung unterschiedlicher kultureller, politischer und religiöser Praktiken gekennzeichnet.

Die Sektion ist entlang vier thematischer Achsen organisiert:

  • erstens die Beschreibung/Analyse, wie in unterschiedlichen Texten und kulturellen Objekten neue Diasporas und performative Identitäten skizziert, evoziert und konstruiert werden;
  • zweitens die Beschreibung/Analyse, wie in unterschiedlichen Texten und kulturellen Objekten neue Räume skizziert, evoziert und konstruiert werden und wie diese medial repräsentiert werden;
  • drittens die Beschreibung/Analyse, wie in unterschiedlichen Texten und kulturellen Objekten neue Formen von Gender und sexuellen Praktiken bzw. Verhaltensweisen (z.B. Queer) skizziert, evoziert und konstruiert werden und wie diese medial repräsentiert werden;
  • viertens die historische Kontextualisierung der beschriebenen Phänomene.

Kontakt

dht2017sdtr@uni-leipzig.de (Dr. Annegret Richter)