21. Deutscher Hispanistentag 2017
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1. Beschreibung und eingeladene Gäste

Moira Fradinger (Gast)

Moira Fradinger ist Assistenz-Professorin am Department of Comparativ Literature der Yale University (USA). Vorher war sie in Argentinien in politischen Ämtern und auch als Literaturdozentin an der Universidad de Buenos Aires tätig. Sie befasst sich in ihrer Forschung mit dem Thema der Gewalt und dessen Darstellung in der hispano-amerikanischen Literatur und im Film. Ihr jüngstes Forschungsprojekt besteht in der Edition (einschließlich einer Übersetzung ins Englische) von fünf karibischen und lateinamerikanischen Versionen des Antigone-Stoffes.

Martha Luisa Hernández Cadena (Gast)

Dramaturgin, Schauspielerin, Kunstkritikerin und Regisseurin; Tätigkeit als dramaturgische Beraterin am Theater El Público, einem kubanischen Theaterensemble, gegründet 1992 von Carlos Díaz; Assistentin der Inszenierungen von Antigonón, un contingente épico von Rogelio Orizondo, La ronda von Arthur Schnitzler, Peer Gynt von Henrik Ibsen (work in progress) und Harry Potter: se acabó la magia von Agnieska Hernández. Ihre Artikel und Theaterkritiken erscheinen in den Zeitschriften Tablas und La Gaceta de Cuba, während die Herausgabe ihres Buchs Notas de un simulador über die Theaterkritik von Calvert Casey kurz bevorsteht. Sie ist mit kritischen Beiträgen an der Edition von Estos son textos de mi abandono (Ediciones La Luz, 2013) von Rogelio Orizondo und an Grupo Empresarial Gaviota (Ediciones Alarcos, 2014) von Fabián Suárez beteiligt.

Sektionsbeschreibung

Die Figur der Antigone blieb für die spanischsprachige Welt lange Zeit weitgehend bedeutungslos. So partizipierte Spanien beispielsweise nicht wie Frankreich oder Italien am Antigoneboom des 17. und 18. Jahrhunderts in der Oper und im Theater. Erst im 20. Jahrhundert beginnt im spanischsprachigen Raum das Interesse an der Figur des Sophokles in Spanien (Salvador Espriu, José Bergamín) und Lateinamerika (Leopoldo Marechal, Jorge Andrade). Hierbei erscheint von besonderer Bedeutung die Auseinandersetzung mit der Figur des antiken Theaters durch María Zambrano in La tumba de Antígona (1967).

Die Situation änderte sich ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und vor allem in den letzten zwanzig Jahren. Antígona gilt im aktuellen Lateinamerika inzwischen als Symbolfigur des Protests und Widerstands, insbesondere von Frauen, gegen politische, ökonomische und soziale Missstände, gegen Gewalt, Staatswillkür und Diskriminierung. Eine Reihe von Texten literarischer und nichtliterarischer Art präsentiert eine Antígona, die sich auflehnt und Missstände anprangert oder zur Streiterin für ein besseres Leben in Lateinamerika wird.

Die Sektion möchte sich dem Phänomen der Antígona del Sur in drei Themenfeldern widmen. Zum einen sollen aktuelle lateinamerikanische Texte zur Antígona präsentiert und analysiert werden (z.B. von Jorge Huertas, Luis Rafael Sánchez, Daniela Cápona Pérez, Sara Uribe), wobei hier vorrangig ihre lokale Verortung, ihre spezifische Funktion im postkolonialen Kontext und ihr Einfluss auch im Vergleich zu europäischen Verarbeitungen des Stoffes interessieren dürfte.
Ein weiteres Themenfeld gilt aktuellen lateinamerikanischen Theateradaptationen der griechischen Tragödie. Auf welche Weise wird hier Bezug zur antiken Antigone hergestellt? Welche aktuellen Themen werden mit den Aufführungen verbunden? Dramaturgie, Übersetzung und lokale Aufführungspraxis stehen dabei im Mittelpunkt der Betrachtung.

Die Frage nach dem Bezug zur antiken Figur prägt auch das dritte Themenfeld der Sektion, kulturwissenschaftliche Überlegungen zum Stellenwert der Antigone als Symbolfigur einer aktuellen und vorwiegend feministischen Protestkultur. Warum Antigone und warum erst in postkolonialen Zusammenhängen? Welche Bezüge bestehen hier noch zur Sophokleischen Figur oder wurden diese bereits gekappt?

Über Jahrzehnte war Antigone eine beliebte Figur der kritischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, von Lacan über Judith Butler zu Slavoj Žižek. Hier interessiert auch, inwiefern die Symbolfigur der Antigone im lateinamerikanischen Diskurs kritisch reflektiert wird, eventuell im Rekurs auf philosophische Überlegungen.

Die Sektionsarbeit erhofft sich als Ergebnis Antworten auf die Frage, wie sich die Narrative zur Antigone im Süden ändern. Welche Diskurse schaffen dabei lateinamerikanische Theoretiker und Kritiker, wie z.B. Bolívar Echeverría, Silvia Rivera Cusicanqui oder María Lugones? Was verändert sich im Text der Antigona auf ihrem Gang nach Süden? Können wir sie noch verstehen? Sind noch Bezüge zur klassischen und europäischen Figur zu erkennen? Oder hat sich die Antígona del Sur inzwischen bereits vollständig emanzipiert und ist als eigenständiges lateinamerikanisches Phänomen zu verstehen?

Kontakt zur Sektionsleitung